Jeder Stock ist etwas Besonderes und wird mit nach Hause genommen. Jeder Käfer bekommt einen Namen und auch die zehnte Schnecke, die beim Waldspaziergang unseren Weg kreuzt, muss genauestens beobachtet werden. Hochsensible Kinder haben noch einen ganz natürlichen Zugang zu Pflanzen und Tieren, doch diese Naturverbundenheit kann auch Zeit und Nerven kosten.
Woher kommt diese Naturverbundenheit
Im Grunde ist es nicht erklärbar, „woher sie kommt“ oder „wodurch sie entsteht“. Kinder im allgemeinen und hochsensible Kinder im Speziellen fühlen sich mit Mutter Natur stark verbunden und befinden sich noch im Einklang mit ihr. Ihr stark ausgeprägtes Einfühlungsvermögen zeigt sich auch bei Tieren, wenn sie verletzt sind oder getötet werden. Und sicherlich spielt auch ihre große Fantasie eine Rolle, wenn sie sich vorstellen können, dass dieser langweilige Stock zu einem tollen Zauberstab wird oder dass die haarige Raupe mal dringend wieder zum Friseur sollte. Nicht zu vergessen natürlich der Wissensdurst hochsensibler Kinder, die genau wissen möchten, warum diese Blume zweifärbige Blüten hat.
Die „Schattenseiten“ der Naturverbundenheit
Das klingt ja alles ganz toll und ich beneide diese Kinder um diesen Zugang. Trotzdem kann ich Eltern verstehen, die ob dieser Begeisterung manchmal auch die Nerven verlieren, denn wenn man dringend wohin sollte und das Kind bleibt gefühlt alle zwei Minuten stehen, um dann vier Minuten lang einen Käfer oder einen Schmetterling zu beobachten, kann das schon ziemlich stressen.
Auch wenn ständig ein neues Haustier angeschleppt wird (ich spreche hier nicht von Hunden und Katzen, sondern von Käfern, Spinnen, Regenwürmern & Co), um ihm ein „neues Zuhause“ zu geben, verliert man leicht die Geduld.
Eine weitere Herausforderung sind außerdem oftmals die gesammelten Stöcke, die sich nach einem Waldspaziergang entweder im Kofferraum oder im Vorzimmer sammeln und zu denen sich dann Dreck und Ungeziefer gesellen. „Kein Mensch braucht so viele Stöcke, die kannst du doch sowieso nicht alle gleichzeitig verwenden!“ „Doch, Mama, jeder Stock hat eine andere Funktion und ich brauche sie alle!“ Na bravo!
Was kannst du tun, um hier auf dein Kind einzugehen?
Grundsätzlich sollten wir die Naturverbundenheit unserer Kinder mit einer gewissen Gelassenheit nehmen. Wenn ihr zu Fuß zu einem Termin unterwegs seid, dann plane genug Zeit ein, damit ihr auf dem Weg auch entdecken und forschen könnt. Und wenn ihr ein paar Minuten zu spät kommt, dann ist das eben so. Da wird euch schon keiner den Kopf abreißen.
Wenn dein Kind einen neuen Freund findet (bei uns war es die Feuerwanze „Wanzi“), der dringend ein Zuhause braucht, dann unterstütze dein Kind dabei. Gestaltet miteinander ein „artgerechtes“ Gefäß und nutzt die Gelegenheit gleich, um das entsprechende Tier kennenzulernen (zB was frisst eine Schnecke usw.). Einigt euch gleich zu Beginn auf einen Zeitraum, in dem ihr das Tier beherbergen wollt und besprecht, dass es im Anschluss daran wieder frei gelassen wird. Möglicherweise kommt es dann zu einem heftigen Trennungsschmerz, der sich aber leicht abfangen lässt, indem du deinem Kind erklärt, dass das Tierchen seinen Freunden sicherlich auch erzählen möchte, was er gerade für einen tollen Urlaub bei euch erleben durfte.
Und wenn ihr zu Hause wieder einmal in Stöcken untergeht, dann besprecht auch hier, wie lange die Stöcke aufbewahrt werden bzw. wo sie gelagert werden dürfen. Vielleicht findet ihr eine Ecke im Garten oder in der Garage, wo sie nicht stören und wo sie eine Weile liegen bleiben dürfen. Ich verspreche dir, dass irgendwann der Tag kommen wird, wo die Äste „gehen dürfen“.
Was kannst du davon mitnehmen?
Sei dankbar für den wundervollen Zugang, den dein Kind noch zur Natur hat und schau dir davon vielleicht ein wenig ab. Dein inneres Kind freut sich bestimmt, wenn du mit deinem Sohn oder deiner Tochter zusammen Tiere beobachtest oder Pflanzen analysierst. Vor allem kann man diese Augenblicke auch ganz toll mit Wissensweitergabe verbinden. Und wie wir wissen, lernen wir am besten, wenn wir uns für das Thema interessieren.