Dein Kind kommt frühzeitig völlig aufgelöst von der Kletterstunde nach Hause und sagt, es gehe nie wieder dort hin. Du kannst dich nur wundern, da es normalerweise immer gerne hingeht, viel Spaß beim Klettern hat und mit allen Beteiligten gut auskommt. Wo kommt dieser plötzliche Sinneswandel her und wie kannst du jetzt am besten reagieren?
Dein Kind braucht Sicherheit und Regelmäßigkeit
Im Gespräch findest du heraus, dass sich die Kinder heute in einer anderen Garderobe umziehen mussten und dass auch ein anderer Trainer anwesend war. Es war also nichts so, wie es dein Kind gewohnt war. Und alleine das sorgt schon dafür, dass sich dein Kind nicht mehr wohl fühlt und verunsichert ist. Darum hat es die Kletterstunde vorzeitig abgebrochen und ist früher nach Hause gekommen.
Solange alles läuft, wie gewohnt, fühlt sich dein Kind im Normalfall wohl und alles klappt. Unsere Kinder brauchen besonders viel Regelmäßigkeit und Struktur, da sie viel schneller verunsichert sind als nicht hochsensible Kinder. Genau zu wissen, was auf welche Art und Weise passieren wird und wie es darauf reagieren kann, gibt deinem Kind Sicherheit und das Gefühl von Kontrolle. Sobald irgendetwas „vom Plan“ abweicht, hat dein Kind das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren… die Kontrolle über die Situation und über sich selbst. Veränderungen sind also ein enormer Stressfaktor für hochsensible Kinder.
Wie kannst du darauf reagieren?
Zeige wie immer Verständnis für die Gefühle deines Kindes. In meinem Beispiel bedeutet das, dass du dein Kind nicht erniedrigen sollst. Sätze wie „Stell dich nicht so an!“, „Na und, die anderen Kinder sind auch geblieben!“, „Du kannst auch wirklich gar nichts durchziehen!“ oder „Spinnst du, du kannst doch nicht einfach von dort weglaufen!“ sind hier kontraproduktiv.
Besser eignen sich Sätze wie „Ich verstehe, dass dich das alles verunsichert hat!“, „Da hätte ich mich auch nicht ausgekannt, wenn plötzlich ein anderer Trainer vor mir steht!“ oder „Klar, dass du dann keine Lust mehr hattest, zu klettern!“, um dein Verständnis deutlich zu machen. Selbstverständlich solltet ihr im Nachhinein darüber sprechen, dass dein Kind nicht einfach aus der Kletterhalle laufen darf, da schließlich der Trainer die Verantwortung hat. Verbindet dieses Gespräch am besten damit, Lösungen fürs nächste Mal zu suchen.
Wie hätte dein Kind anders reagieren können?
Wenn ihr gemeinsam Lösungsstrategien erarbeitet, hat dein Kind den größtmöglichen Vorteil. Es lernt, auf seine Bedürfnisse zu achten, um diese dann, dem entsprechenden Umfeld angepasst, zu erfüllen. In unserem Beispiel wäre es für dein Kind sinnvoller gewesen, mit dem Trainer zu sprechen und ihm zu erklären, dass es sich heute nicht so wohl fühlt, dass es gerne abgeholt werden bzw. nach Hause gehen würde oder dass es einfach in der Garderobe wartet, bis die Stunde vorbei ist.
Auf jeden Fall hilft es deinem Kind, zukünftig mit Veränderungen besser klar zu kommen, wenn ihr mögliche Schwierigkeiten öfters durchsprecht und gemeinsam Lösungen dafür findet.
Was bedeutet das jetzt im Alltag?
Oft ist es uns im Laufe des Tages gar nicht bewusst, wenn etwas anders abläuft als sonst. Schon Kleinigkeiten können bei deinem Kind für Wutausbrüche oder andere emotionale Attacken führen. Wenn du verschlafen und für das gewohnte morgendliche Ritual keine Zeit hast, wenn in der Früh eine andere Marmelade am Tisch steht, wenn Papa ungeplanter Weise etwas später nach Hause kommt, wenn die Lehrerin krank ist oder wenn aus irgendeinem Grund euer gemeinsames Mittagsschläfchen ausfallen muss. All das sind Dinge, die für uns kein Problem darstellen, die die Welt deines Kindes aber völlig durcheinander wirft.
Versuche daher, so viel Regelmäßigkeit in Form von Routinen und Ritualen wie möglich in euren Alltag einzubauen. Alles, was immer wieder kommt, gibt deinem Kind Sicherheit und einen Grund weniger, völlig auszuflippen. Ich weiß, dass es nicht immer möglich ist, alles genau nach Plan laufen zu lassen. Ich bin mir aber sicher, dass sich viele Dinge doch im Voraus planen lassen oder dass man der einen oder anderen Veränderung nicht unbedingt zustimmen muss. Deine Freundin möchte heute Mittag vorbeikommen und tratschen? Und das genau während eurer gemeinsamen Ruhephase? Das muss nicht sein… sie kann auch später kommen.